132
Das Veilchen vor Frost erstarrt: Die Thränen gefrieren darauf zu Eis:
Es zappelt mit allen Würzlein, „Ach! wär' ich geblieben im Thale dort!"
Bedeckt sie mit dem grünen Schürzlein, Das war Blau-Veilchens letztes Wort.
Friert sehr an Händen und Beinen; D'rauf sank es um und blieb stumm. —
Da fängt's bitterlich an zu weinen; Hast du im Thal ein sichres Haus,
Die blauen Bäckchen werden weiß; Dann wolle nie zu hock hinaus^
(Förster.)
38. Räthsel.
Den sich der Ritter Zum Eigenchume,
Legt bei zum Ruhme, Und wächst im Garten
Gehört 'nem Vogel Als eine Blume.
(Rück-rt.)
39. Die Sonnenblume.
Die Sonnenblume liebt das Lickt,
Sie will sich stets zur Sonne drehen:
So mußt du Gottes Angesicht,
Willst du nicht irren, auch ansehen.
60. Rosen und Vergißmeinnicht.
An dem Silberquellchen,
Das durch grünes Moos
.Seine muntern Wellchen
Hell und klar ergoß,
Saß ein Hirtenmädchen,
Sanft geschützt vom Grün
Zarter Erlenblättchen
Vor der Sonne Glüh'».
Wie im Paradiese
Froh und hoch beglückt,
Hatte auf der Wiese
Blumen sie gepflüä;
Unter Blumenträumen
Schlummerte sie ein,
Und auf allen Bäumen
Sangen Vögeletn.
Träumend sah voll Freude
Sie — gar hold und schön, —
Im schneeweißen Kleide
Einen Engel stch'n. —
Seine Locken kränzten
Rosen, hell wie Licht,
In der Rechten glänzten
Ihm Vergißmeinnicht.
„Ich, der Unschuld Engel,"
Sprach er, „dir gesandt,
Biet' durchs Thal der Mängel
Traulich dir die Hand.
Soll ich nun auf deine
Wege Rosen streu'n,
So, du gute Kleine,
So — Vergiß nicht mein!"
(Chr. Schmid.)
61. Blumenklagen.
Die Blumen im Felde klagen:
O ständen wir droben im Wald!
Wo schattig die Bäume ragen,
Welch glücklicher Aufenthalt!
Die Blumen im Walde weinen:
O wären wir drunten im Haag:
Wie säh'n wir die Sonne scheinen
So herrlich den ganzen Tags
(A. Schutts.)
62. Hanf und Flachs.
Diese beiden Gewächse, welche in Deutschland fast allenthalben
angebaut werden, verdanken ihre Verbreitung weder ihrer Blüthe, noch
ihren Früchten, sondern ihrem Stengel. Dieser enthält nämlich zähe
Fasern (Bast), welche, nachdem sie von den spröden, holzigen Scha-
len befreit sind, biegsame Fäden geben, die sich spinnem lassen.
Welchen unendlichen Nutzen diese gewähren, kann sich jeder selbst auf-
zählen, wenn er an die Waaren des Seilers, an die Fäden,
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
133
von dem Pechdrathe des Schusters bis zu dem Zwirn der
Nätherin, an die Leinwand von dem groben Packtuche bis
zu dem feinsten Battist denkt. Zwar hat man in neuerer Zeit die
ausländische Baumwolle vielfach an die Stelle des Flachses ge-
setzt; aber das feinste und dauerhafteste Gewebe bleibt immer die
Leinwand. Der Hanf hat den Vorzug größerer Festigkeit und
Dauerhaftigkeit, jedoch Feinheit und Schönheit bleibt auf der Seite
der flächsenen (leinenen) Gespinnste. Und wieviele Personen finden Ar-
beit und Verdienst bei der Behandlung dieser Leiden Gewächse! Der Bauer,
welcher pflügt und säet, die Weiber, welche die Winterabende durch
Spinnen und Haspeln kürzen, im Herbste brechen, schwingen und hecheln,
im Sommer das gefertigte Tuch bleichen, die Weber, welche spulen,
zetteln und weben, die Färber, welche dem Garn oder der Leinwand
eine andere Farbe geben; alle haben ihren Vortheil von dem Anbau
dieser Pflanzen, den Seiler noch nicht gerechnet. Dazu kommt, daß
Hanf und Flachs öligen Samen bringen, welcher sich mannigfaltig
benutzen läßt, der Hanf mehr als Futter für im Käfig gehaltene
Vögel, der Lein aber zu Öl. Zwar hat das Leinöl nicht den guten
Geschmack des Mohnöls, des Nußöls u. s. w.; allein zu Firniß und
Ölfarbe ist es unter allen das brauchbarste. Und der Flachs trägt
reichlich. Aus seinen blauen Blüthen bilden sich erbsengroße Knoten,
in deren Fächern die platten Leinkörnchen in Menge sitzen. Wenn
die Sonne die Knoten gesprengt hat, fallen die Körnchen meistens von
selbst heraus, doch hilft man durch Dreschen noch nach. Obgleich die
Arbeit bei dem Bau und der Zubereitung des Flachses nicht leicht ist,
so herrscht doch gewöhnlich große Fröhlichkeit dabei, freilich bisweilen
auch Leichtsinn, indem man bei dem Dörren mit dem Feuer nicht vor-
sichtig umgeht. Es sind schon ganze Ortschaften dadurch in Feuers-
noth gekommen.
So groß die Ähnlichkeit in der Behandlung des Hanfes und Flachses
ist, so ungleich sind die Pflanzen selbst. An dem Hanf ist alles
größer und gröber, mannshohe Stengel, dickere, runde Samenkörner,
widriger Geruch, unschöne Blüthe; an dem Flachs ist dies an-
ders. Dennoch erträgt der letztere mehr Kälte und kommt in gerin-
gerem Boden fort. Der beste Lein kommt aus Rußland, der beste
Hanf aus Italien. Übrigens läßt sich aus Brennnesseln noch
feinere Leinwand bereiten, als aus Flachs. Wäre es nur nicht so mühsam!
63. Die Kartoffel.
Bei der Kartoffel können wir auf unserer Wanderung durch das
Pflanzenreich unmöglich vorübergehen, ohne sie ein wenig näher anzu-
schauen. Die armen Irländer von 1840 könnten euch ein Liedlein
singen von dem Werthe derselben; denn in diesem Jahre allein starben
viele Tausende den Hungertod, weil du Kartoffel, wie in ganz
Europa, besonders in ihrem Lande, mißrathen und krank geworden war.
Auch unsere deutschen Brüder, die armen Weber in Schlesien, könnten
TM Hauptwörter (50): [T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T113: [Wein Seide Baumwolle Handel Zucker Kaffee Wolle Tabak Reis Getreide], T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
134
euch noch manches davon erzählen, was es heißt, eine Kartoffel haben
und nicht haben. Und vielleicht ist mancher unter euch nicht froh und
zufrieden gewesen, wenn die Mutter nichts weiter als ein Schüßlein
mit Kartoffeln auf den Tisch fetzte und dazu recht dankbar sagte: „Gesegn'
es Gott!" Wem der Fall mit dem sauren Gesicht noch einmal
begegnen sollte, der denke nur an die verhungerten Irländer! —
Dreifach gesegnet sei der noch in seinem Grabe, welcher die Kar-
toffel zuerst aus dem nördlichen Amerika nach Europa brachte,
mag es nun Franz Drake im 1j6. Jahrhundert oder ein Anderer
gewesen sein; denn genau ist's nicht bekannt.
Wie die Kartoffel mit Wurzel, Stengel, Blatt und Blüthe aus-
sieht, das wißt ihr Alle; vielleicht aber hat mancher von euch die uns
nährende Kartoffel für die Früchte des Gewächses gehalten, während
diese doch nichts weiter als jene gelblich grünen Äpfelchen sind, welche
sich gegen den Herbst aus der Blüthe entwickeln. An der Kartoffel-
blume werdet ihr bisher wohl nicht viel Schönheit gesunden haben,
und doch hat sie einst der unglückliche König Ludwig Xvi. von Frank-
reich im Knopfloche und seine Gemahlin auf dem Hute getragen, wie
es auch in neuester Zeit die Königin von Griechenland that, die aus
dem Oldenburger Lande stammt, wo man auch die Kartoffeln recht gut
kennt. Das haben diese Großen der Erde gethan, um die Kar-
toffelpflanze bei ihren Völkern erst in Aufnahme zu bringen, aus keinem
andern Grunde, und das nenn' ich doch schön! Die Blüthe besitzt
außen eine grüne Hülle, den Kelch und eine Blumenkrone, welche
weiß oder blau erscheint. In ihrer Mitte befinden sich die Staub-
beutel, gelb gefärbt und zu einem kegelförmigem Körper dicht anein-
ander gepreßt. Mitten aus ihnen heraus schaut ein seines grünes
Stielchen mit einem knopfförmigen Köpfchen. Nehmt ihr diesem die
Staubbeutel weg, so steht es auf einem kleinen kegelförmigen Körperchen,
dem Fruchtknoten, welcher, da er über der Blumenkrone steht, ein
oberständiger heißt. In diesem befinden sich nun die Eierchen, in denen
sich der Samenkeim entwickelt und erst fertig ist, wenn der Fruchtknoten
zu einer großen, runden, fleischigen Beere angeschwollen ist, in welcher
die Eierchen nun als Samen stecken. Diese Beere allein ist die rechte
Kartoffelfrucht, welche auch der Freund, dem Drake einige Kartoffeln
zur Aussaat nach Europa geschickt hatte, für dasjenige hielt, was höchst
schmackhaft sein sollte. Er hatte die Knollen in die Erde gesteckt, und
da es nun Herbst war und die Samenäpsel gelb wurden, lud er eine
Menge vornehmer Herren zu seinem Gastmahle ein, wobei es hoch her-
ging. Am Ende kam auch eine zugedeckte Schüssel. Der Hausherr
stand auf und hielt eine schöne Rede an die Gäste, in der er diesen
sagte, er habe hier die Ehre, ihnen eine Frucht mitzutheilen, deren
Samen er von seinem Freunde, dem berühmten Drake, mit der Ver-
sicherung erhalten hätte, daß ihr Anbau für England höchst wichtig
werden könne. Die Herren kosteten nun die Frucht, die in Butter ge-
backen und titit Zucker und Zimmet bestreut war; aber sie schmeckte ab-
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau]]
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Extrahierte Personennamen: Franz_Drake Franz Ludwig_Xvi Ludwig Drake
Extrahierte Ortsnamen: Amerika Europa Frank- Griechenland Europa England
175
Tod auf dem Schlachtfelde war für die alten Deutschen der ehren-
vollste; eines natürlichen Todes sterben, war für sie ein beklagens-
werthes Schicksal. Merkte man das Heranziehen der Sterbestunde,
so ließ man sich noch die Rüstung anlegen, um mit derselben ins an-
dere Leben hinüberzugehen. Die Leichname wurden gewöhnlich mit den
Waffen, auch wohl mit dem Leibrosse verbrannt, die Asche in Urnen
gesammelt und an stille Orte beigesetzt, wo einfache Rasenhügel die
Ruhestätte der Helden bezeichneten.
Dieses kräftige, unverdorbene Volk war reich an mancherlei Tu-
genden. Es war treu, redlich, bieder, offen und wahrheits-
liebend. Was man versprach, das hielt man unverbrüchlich fest; einem
deutschen Worte konnte man vertrauen, und ein deutscher Hand-
schlag ist ja sprichwörtlich geworden. Während bei den übrigen
alten Völkern, neben der Tapferkeit, List eine Hauptsache im Kriege
war, zeichneten sich die Deutschen von jeher durch Ehrlichkeit und
offene Ritterlichkeit im Streite aus; denn jeder war ehrlos, der
mit Hinterlist kämpfte.
Auch die Gastfreundschaft war ein hervorragender Zug der alten
Deutschen. Heilig und unverletzlich war der Fremde, in welcher Ab-
sicht er auch gekommen sein mochte. Offen stand ihm die Hütte; an dem
Tische fand er seinen Platz. War der Vorrath des Wirthes aufgezehrt,
so führte dieser seinen Gast weiter, und ungeladen gingen beide dann in
das erste beste Haus und waren eines freundlichen Empfanges gewiß.
Am meisten aber trat bei den alten Deutschen die Liebe zur Freiheit
hervor; freie Männer zu sein war ihr größter Stolz. Rur der freie
Mann durfte Waffen tragen und in der Volksversammlung erscheinen.
Das waren die Tugenden unserer Vorfahren, die indeß auch nicht
ganz frei von Fehlern waren. Waren sie nicht auf der Jagd oder
im Kriege, so lagen sie ganze Tage auf der sprichwörtlich gewordenen
deutschen Bärenhaut; denn gegen jede friedliche Arbeit hatten sie eine
grenzenlose Abneigung. Rach überstandenem Kriege oder glücklich voll-
brachter Jagd erfrischte man die ermüdeten Glieder gern beim Trinkgelage.
Da wurde erzählt von der Hitze des Kampfes, den Gefahren des Tages
und den errungenen Siegen, während den Hörnern des Urs, gefüllt mit
Bier und Meth, wacker zugesprochen wurde. Selten blieb es dann aus,
daß man im Trinken >res Guten zu viel that, und der Held, der noch
kurz zuvor so kräftig dagestanden, mußte nun im Rausche schwach erschei-
nen. Oder man griff auch wohl nach den Würfeln, und im leidenschaft-
lichen Spiel wurde Hab und Gut, Weib und Kind, ja die eigene
Freiheit, so hoch man auch sonst dieselbe schätzte, dahingegeben.
Ruhig ging dann nach unglücklichem Wurf der Verlierende in die frei-
willige Knechtschaft und wurde der Leibeigene des Andern.
Roch ein Zug des deutschen Charakters verdient der Erwähnung.
Die verschiedenen deutschen Stämme, deren es eine große Menge
gab, waren nämlich selten einig; Eifersucht und Neid herrschten zwischen
ihnen und waren die Ursache von verheerenden Kriegen gegen einander,
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden]]
TM Hauptwörter (200): [T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende]]
194
Wohl ist auch jetzt vom Siege er wieder heimgekehrt,
Doch nicht des Reiches Feinden hat mächtig er gewehrt;
Es ist der eigne Bruder, den seine Waffe schlug,
Der dreimal der Empörung blutrothes Banner trug.
Zu Quedlinburg vom Dome ertönt die Mitternacht.
Vom Priester wird das Opfer der Messe dargebracht,
Es beugen sich die Kniee, es beugt sich jedes Herz,
Gebet in hcil'gcr Stunde steigt brünstig himmelwärts.
Da öffnen sich die Pforten, es tritt ein Mann herein.
Es hüllt die starken Glieder ein Büßerhemde ein —
Er schreitet auf den Kaiser, er wirft sich vor ihni hin,
Die Knie er ihm umfasset mit tiefgebeugtem Sinn.
„O Bruder, meine Fehle, sie lasten schwer auf mir;
Hier liege ich zu Füßen, Verzeihung flehend, dir:
Was ich mit Blut gesündigt, die Gnade macht es rein,
Vergicb, o strenger Kaiser, vergieb, du Bruder mein!"
Doch strenge blickt der Kaiser den sünd'gen Bruder an:
„„Zweimal hab' ich vergeben, nicht fürder mehr fortani
Die Acht ist ausgesprochen, das Leben dir geraubt,
Nach dreier Tage Wechsel da fällt dein schuldig Haupt.""
Bleich werden rings die Fürsten, der Herzog Heinrich bleich, '
Und Stille herrscht im Kreise, gleich wie im Todtenrcich,
Man hätte mögen hören jetzt wohl ein fallend Laub,
Denn keiner wagt zu wehren dem Löwen seinen Raub.
Da hat sich ernst zum Kaiser der fromme Abt gewandt,
Das ew'ge Buch der Eüchcr, das hält er in der Hand,
Er lies't mit lautem Munde der Worte heil'gen Klang,
Daß es in aller Herzen wie Gottes Stimme drang.
„Und Petrus sprach zum Herren: Nicht so? Genügt ich hab'.
Wenn ich dem sünd'gen Bruder schon siebenmal vergab?
Doch Jesus ihm antwortet: Nicht siebenmal vergieb,
Nein, siebcnzig mal sieben, das ist dem Vater lieb." —
Da schmilzt des Kaisers Strenge in Thränen unbewußt,
Er hebt ihn auf, den Bruder, er drückt ihn an die Brust;
Ein lauter Ruf der Freude ist jubelnd rings erwacht —
Nie schöner ward begangen die heil'ge Weihenacht.
(Mähler.)
Otto's Nachfolger: Otto U. und Otto Iii. starben früh und mit Heinrich Ii..
dem Heiligen, erlosch das sächsische Haus (1024). Es folgten jetzt
•wieder Kaiser aus dem fränkischen (salischen) Geschlechte: Üoürad Ii.,
Heinrich Iii, Iv- u. V., welche ein Jahrhundert lang (von 1024—1125) die
Kaiserkrone trugen. Der Stammvater dieser Kaiserreihe war Konrad der
Rothe, Graf des Worms-, Speyer- und Nahegaues, dessen Macht
sich über den grössten Theil der spätern pfälzischen Lande ausdehnte.
Graf Konrad der Rothe war vermählt mit der Tochter Kaiser 01to’s I.
Er fiel als Held in der furchtbaren Ungarnschlacht (055) und wurde
in Worms, seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort, begraben. Sein Sohn
hiess Otto. Von Otto s Söhnen, den Enkeln Konrad’s des Rothen, die sich in
die Güter des Speyer- und W o r m s gau e s theilten, hinterliess jeder einen
Sohn, welcher Konrad hiess. Nach dem Aussterben des sächsischen
Hauses bewarben sich diese beiden Vettern: Herzog Konrad von Fran-
ken und Graf Konrad bei der Kai«erwähl um die Kaiserkrone. Herzog
Konrad erhielt die meisten Stimmen und regierte als Soqfäd ü. von
1024—1039 als deutscher Kaiser.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T171: [Heinrich Otto Herzog Kaiser König Friedrich Sohn Konrad Sachsen Schwaben], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand]]
Extrahierte Personennamen: Heinrich_bleich Heinrich Otto Otto Heinrich_Ii Heinrich Heinrich_Iii Heinrich Konrad_der
Rothe Konrad Konrad_der_Rothe Konrad Otto Otto Konrad Konrad_von_Fran- Konrad Konrad Konrad Konrad Konrad
177
ewiges Leben nach dem Tode in Walhalla, wo die trefflichen Hel-
den m Gemeinschaft mit den Göttern, angethan mit ihrem Waffenschmuck,
Bier aus großen Hörnern oder aus den Hirnschalen erschlagener Feinde
trinken, sich auf ihren Streitrossen an Kampfspielen erfreuen und sich
durch das Andenken wohlbestandener Kämpfe beseligt fühlen würden.
Die Feigen, Bösen kamen in die Hela (Hölle).
Die Priester, Druiden, wurden, als die Diener der Götter, hoch
geachtet und waren im Besitz von mancherlei Kenntnissen, auch der so-
genannten Runenschrift. Als die Lehrer, die Weisen, die Ärzte
des Volkes belehrten sie ihre Schüler über den Lauf der Gestirne, über
die Größe der Welt und über die Natur der Götter, Menschen und
aller Dinge. Sie waren auch wohl zugleich die Dichter und Sänger
des Volks, Barden genannt, die das Heldenthum und die Gottheit
in kräftigen Liedern feierten, welche dann vom Volke bei fröhlichen
Gelagen, vor der Schlacht u. s. w. gesungen wurden. In sehr hohem
Ansehen standen auch die Priesterinnen und Seherinnen, Alrunen,
welchen man besonders die Gabe der Weissagung zuschrieb, und
die fast göttlich verehrt wurden.
2. Hermann der Chernskerfürfi.
(9 n. Chr.)
Um die Zeit der Geburt Christi, als Augustus römischer
Kaiser war, kamen die Deutschen in Gefahr, von den Römern
unterjocht zu werden. Bis zum Rheine und zur Donau war
Deutschland unter römische Herrschaft gekommen, und an deren Ufer
hatten die Rön^er bereits Colonien (Pflanzorte), Städte und
Festungen angelegt. So find die jetzigen Städte Köln, Koblenz,
Mainz, Augsburg (d. i. Augustusburg) von den Römern erbaut
worden. Man führte römische Gesetze ein und behandelte diese
Länder als römische Provinzen.
Aber damit begnügte sich der Kaiser Augustus nicht; er wollte auch
das Innere der deutschen Wälder erobern. Er schickte darum seinen
Stiefsohn Drusus gegen die Chatten (Hessen), Brukterer, Mar-'
sen, Cherusker u. a. deutsche Völkerschaften. Schon war er tief ins
Land gedrungen, als ein riesenhaftes Zauberweib, eine Alrune, sich
vor ihn stellte und ihm drohend die Worte zurief: „Wohin noch
strebst du, unersättlicher Drusus! Alle unsere Länder
möchtest du sehen, aber das Schicksal will es nicht. Fliehe
von dannen!" Geschreckt wich Drusus zurück, und mit seinem Rosse
stürzend, fand er den Tod. Vergebens suchte sein Bruder Tiberius
diese Völker an sich zu locken, und später wurde Varus als Statt-
halter an den Rhein geschickt. Dieser kluge Mann wollte die wilden
Deutschen an römische Sitten gewöhnen und sie mit List und Gewalt
unterwerfen. Er verlegte sein Hauptlager auf das rechte Rheinufer,
brachte ihnen allerlei Geschenke und nahm viele in römische Kriegs-
dienste. Bald ward er aber dreister, verlegte sein Lager bis über die
Haesters' Lesebuch für Oberkl. «»anzel. Volkssch.
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T56: [Römer Rhein Varus deutsche Armin Jahr Hermann Land Deutschland Tiberius], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T120: [Gott Göttin Zeus Tempel Sohn Gottheit Priester Erde Mensch Opfer], T105: [Stadt Dom Jahrhundert Zeit Bau Kirche Rhein Baukunst Deutschland Mainz], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Personennamen: Hermann_der_Chernskerfürfi Augustus Augustus Drusus Drusus Tiberius Varus
Extrahierte Ortsnamen: Walhalla Hela Christi Rheine Donau Deutschland Koblenz Mainz Augsburg Augustusburg Hessen Rhein
178
Weser ins Land der Cherusker und sing, durch Segest, ein ver-
rätherisches Oberhaupt dieses Volkes, unterstützt, sogar an, den Herrn
zu spielen, römisches Gerichtswesen gewaltsam einzuführen und den freien
Deutschen Stockschläge und Henkerbeil aufzudringcir. Da regte sich
der Groll betrogener Gutmüthigkeit bei dem Volke, und es dachte
darauf, den zudringlichen Fremdling los zu werden. Unter dem Volke
der Cherusker stand ein Jüngling auf, der schon eine Zeit lang in
römischen Heeren gedient, die Kunst des Krieges gelernt, als Geißel
in Rom gewesen, und selbst die römische Ritterwürde erlangt hatte.
Er hieß Hermann oder Armin. Ein schöner und gewaltiger Held,
edeln Geschlechtes, untadelig an Sitten, klug wie wenige seines Volkes,
von feuriger Beredsamkeit und glühend für die Freiheit, gewann er leicht
die Herzen aller freigesinnten Männer und Jünglinge. In einer nächt-
lichen Versammlung schwuren sie allen Römern in Deutschland den
Untergang. So geheim indeß diese Unternehmung betrieben wurde, so
erfuhr sie doch Segest, und weil dieser ehrgeizige Mann nichts so sehr
als die Freiheit des Volkes haßte und überdem mit Armin, der ihm
seine schöne und freigesinnte Tochter Thusnelda entführt hatte, in
bitterer Fehde lebte, so verrieth er sogleich das ganze Vorhaben.
Varus aber lachte darüber und hielt die Deutschen für zu dumm und
sich für zu mächtig, als daß er irgend eine Gefahr zu fürchten hätte.
Als der Herbst des Jahres 9 nach Chr. gekommen war und die
;n Norddeutschland gewöhnlichen langen Negengüsie bevorstanden, schritt
Hermann zur Ausführung des Planes. Varus wurde von allen Seiten
angegriffen. Der Himmel selber war mit den Deutschen zum Unter-
gänge der Römer verschworen. Ungewitter brachen los, unendlicher Regen
strömte nieder und die Gebirgswässer schwollen zu Strömen an. Plötzlich
erscholl in dem Brausen des Waldes und der Gewäffer der fürchter-
liche Kriegsgesang der Deutschen. Erschrocken standen die Römer, die
sich durch die engen Thäler mühsam fortschleppten. Da wurden sie
von allen Seiten mit einem Hagel von Steinen, Pfeilen und Wurf-
lanzen überschüttet. Dann stürzten die Deutschen von den Höhen nieder
zum Handgemenge. Grauen und Entsetzen ergriff die Römer. Sie
zogen auf einer waldlosen Ebene hin und hielten so ziemlich Ord-
nung, erlitten aber auch hier Verlust und kamen wieder in die Wald-
gebirge (bei Detmold). Da öffnete sich ihnen ein unwegsames
Thal, in dem ihnen wieder große Schaaren von Deutschen auflauerten
und ihre Niederlage vollendeten; das geschah im teutoburger Walde.
Varus stürzte sich in sein Schwert. Nur wenige Römer entkamen; alle
andern wurden erschlagen oder gefangen.
Hermann feierte den Göttern große Opferfeste und weihte ihnen
alle Todten und alle Beute, also daß die Römer unbegraben auf dem
Felde liegen bleiben mußten. Die Hauptleute unter den Gefangenen
wurden am Opseraltar geschlachtet.
Als die Römer am Rhein von dieser Niederlage hörten, verstärkten
sie sich in aller Eile; denn sie glaubten nicht anders, als daß die
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T88: [Sohn Vater König Tod Kaiser Tochter Bruder Jahr Mutter Gemahlin], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T56: [Römer Rhein Varus deutsche Armin Jahr Hermann Land Deutschland Tiberius], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]
Extrahierte Personennamen: Hermann Armin Armin Thusnelda Varus Hermann Varus Varus Hermann
Extrahierte Ortsnamen: Rom Deutschland Norddeutschland Detmold Rhein
179
Deutschen auf der Stelle ihren Sieg verfolgen und in Hellen Haufen
über den Rhein dringen würden. Kaiser Augustus stieß verzweiflungs-
voll den Kops gegen die Wand und rief: „O Varus, Varus,
gieb mir meine Legionen wieder!" Die deutsche Leibwache des
Kaisers und alle Germanen, die im römischen Kriegsdienste standen,
wurden schnell in entlegene Gegenden geschickt.
Aber die Deutschen blieben ruhig in ihrem Lande und begnügten
sich, alle Festungen und Heerstraßen und jede Spur der Römer bis
an den Rhein zu zerstören, und diesen Fluß wieder zur Grenze zwi-
schen dem freien Deutschland und dem Römerreiche zu machen.
' Hermann's Thaten wurden im ganzen Lande besungen. Noch jetzt
singen die Kinder in Westphalen ein Hermannsliedchen und machen
dabei, ohne die Bedeutung des Liedchens zu kennen, eine marschmäßige
Bewegung.
Hermann, schla Lärm anl la piepen, la trummenl
De Kaiser will kummen met Hammer und Stangen,
Will Hermann uphangen.
Un Hermann schloug Lärm an, leit piepen, leit trummen,
De Fürsten sind kummen met all' ehren Mannen,
Hewt Varus »phangen.
3. Drusus Tod.
Drusus ließ in Deutschlands Forsten
Gold'ne Nömeradler horsten;
An den heil'gen Göttereichen
Klang die Axt mit freveln Streichen.
Siegend fuhr er durch die Lande,
Stand schon an der Weser Strande,
Wollt' hinüber jetzt verwegen,
Als ein Weib ihm trat entgegen.
Übermenschlich von Geberde
Drohte sie dem Sohn der Erde:
„Kühner, den der Ehrgeiz blendet,
Schnell zur Flucht den Fuß gewendet I
Jene Marken uns'rer Gauen
Sind dir nicht vergönnt zu schauen,
Stehst am Markstein deines Lebens,
Deine Siege sind vergebens.
Säumt der Deutsche gerne lange,
Nimmer beugt er sich dem Zwange;
Schlummernd mag er wohl sich strecken,
Schläft er, wird ein Gott ihn wecken."
Drusus, da sie so gesprochen,
Eilends ist er aufgebrochen;
Aus dem Schauern deutscher Haine
Führt er schnell das Heer zum Rheine.
Vor den Augen sieht er's flirren,
Deutsche Waffen hört er klirren,
Sausen hört er die Geschosse,
Stürzt zu Boden mit dem Rosse.
Hat den Schenkel arg zerschlagen.
Starb den Tod nach dreißig Tagen.
Also wird Gott Alle fällen,
Die nach Deutschlands Freiheit stellen.
(Simrock.)
4. Die Völkerbundni'jse.
(213 n. Chr.)
Bisher hatten sich vereinzelte Stämme der Deutschen nur gewehrt,
und dies, um ihre Freiheit zu retten. Jetzt, da sie nicht mehr an-
gegriffen wurden, regte sich in ihnen die Lust, Rache an den Römern
zu nehmen und theilhaftig zu werden der Herrlichkeit und Schätze ihrer
Städte. Die Noth hatte sie die Erfahrung gelehrt, daß ihre Uneinig-
keit dem Feinde zur Macht gereiche. Da sagten um 213 nach Christus
die Gauvölker am Oberrhein und in Schwaben, meist alte Suevcn:
12*
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Extrahierte Personennamen: Augustus Augustus Varus Varus Hermann Hermann Hermann Varus Drusus Drusus Drusus Simrock Christus
Extrahierte Ortsnamen: Rhein Rhein Deutschland Deutschlands Rheine Deutschlands Schwaben
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17. Heinrich Iv.
(1056 — 1106.)
Heinrich Iv. war erst 6 Jahre alt, als sein herrlicher Vater
Heinrich Hi. 1056 starb. Er war ein Knabe von großen Anlagen,
aber er erhielt eine schlechte Erziehung. Seine treffliche Mutter Agnes
hätte ihm eine gute Erziehung gegeben; allein mehrere deutsche Fürsten,
die um des Reiches Wohlfahrt weit weniger besorgt waren, als um
ihren persönlichen Vortheil, suchten ihr das Kind zu entreißen, damit
sie dann in seinem Besitze Herren der Krone wären. Unter ihnen war
der Erzbischof Hanno von Köln, ein schlauer, hartherziger Mann,
dem, seine niedrige Selbstsucht zu befriedigen, kein Mittel zu schlecht
dünkte. Als einst im Mai des Jahres 1062 die Kaiserin zu Kaisers-
werth weilte, lud der Erzbischof mit freundlicher Miene den jungen
König ein, ein besonders schönes Schiff zu besehen, auf dem er ge-
kommen war, ihn zu begrüßen. Kaum hatte der Knabe das Fahrzeug
betreten, so ließ Hanno vom Ufer stoßen. Heinrich ahnet Verrath;
schon ist das Schiff mitten im Rheinstrom; da faßt er sich schnell, und
wirft sich in die Fluthen hinab, um schwimmend das User zu ge-
winnen. Er wäre ertrunken, wenn nicht Markgraf Egbert von
Meißen ihm nachgesprungen wäre und ihn zurückgeholt hätte. Das
Alles mußte die arme Mutter von ihrem Fenster aus ansehen. Hanno
brachte den kaiserlichen Knaben nach Köln, und hielt ihn mit mönchi-
scher Strenge. Aber das dauerte nicht lange. Denn bald fand ein
anderer Erzbischof, Adalbert von Bremen, Gelegenheit, dem Hanno
seine Beute zu entführen, und er, ein höchst leichtsinniger Mann, that
dem Könige Alles zu Willen, und ließ allen seinen Lüsten, Begierden
und Leidenschaften den Zügel schießen, und behielt ihn bei sich, bis er
großjährig war. Als er nun zur Regierung kam, sprach er zu seinem
Volke, das ihn um Erleichterung seiner Lasten bat, wie ein Rehabeam:
„Mein Vater hat euch mit Ruthen gezüchtigt; ich aber will euch mit
Skorpionen züchtigen". Da wandten sie .sich an den Papst, und baten
ihn um seine Fürsprache. Dem damaligen Papst Gregor Vii. —
dem Sohne des Zimmermanns Hildebrand aus Saona in Italien —
war dies eine willkommene Gelegenheit, seine Absicht auszuführen, daß
er den Kaiser unter die Oberherrschaft des Papstes brächte,
wie der Mond unter der Sonne stehe. Er forderte den Kaiser
nach Rom vor seinen Richter stuhl, und als derselbe zu erscheinen
sich weigerte, that er ihn 1076 in den Bann, d. h. er verbot ihm
die Theilnahme am Gottesdienste und verbot seinen Unterthans«, ihm
zu gehorchen. Deß freuten sich des Kaisers Feinde, und er sah sich
genöthigt, den Papst um Verzeihung zu bitten. Zu dem Ende ging
er, nur von seiner Gemahlin und einem treuen Diener begleitet, mitten
im härtesten Winter unter großen Gefahren über die schneebedeckten
Alpen, und suchte den Papst auf dem Schlosse Canossa auf. Dieser
ließ ihn im härenen Bußgewande drei Tage lang, mit nackten Füßen,
in bitterer Kälte — es war im Januar — auf dem Schloßhofe stehen.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Iv Heinrich Heinrich_Iv Heinrich Heinrich_Hi Heinrich Agnes Hanno_von_Köln Hanno Heinrich Egbert_von
Meißen Hanno Hanno Gregor_Vii Gregor Zimmermanns_Hildebrand
Extrahierte Ortsnamen: Rheinstrom Bremen Saona Italien Rom
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6. Bonifacius,
der Apostel der Deutschen.
(716-755.)
Es waren schon über 600 Jahre seit Christi Geburt verflossen,
und in unserm Vaterlande war das Christenthum noch fast ganz un-
bekannt; hier beteten noch die Heiden die alten Götter an und brachten
ihnen Opfer dar, selbst Menschenopfer. Da kamen aus Irland und
England mehrere Glaubensboten (Missionare) nach Deutschland,
um die Lehre des Heiles den verschiedenen Volksstämmen unseres großen
Vaterlandes zu verkündigen. Um das Jahr 600 n. Chr. kam Colum-
ban zu den Baiern, Kilian um 650 zu den Ostfranken, Willi-
brord um 700 zu den Friesen. Unter allen diesen Missionaren
aber zeichnete sich durch seinen unermüdlichen Eifer am meisten aus
Winfried oder Bonifacius, welcher deswegen auch der Apostel
der Deutschen genannt wird. Es war im Jahre 716, als Boni-
facius nach Deutschland kam. In Thüringen, wo er das Christen-
thum verkündete, und zwar im jetzigen Hessen, nicht weit von Kassel,
in der fruchtbaren Ebene zwischen der Eder und Fulda, stand bei
Hofgeismar von uralten Zeiten her eine mächtige Eiche, welche von dem
heidnischen Volke als ein Heiligthum des Donnergottes verehrt wurde.
Als Bonifacius, der Apostel der Deutschen, nach Hessen kam, und
die Abgötterei wahrnahm, welche an diesem Baume getrieben wurde,
ergrimmte er in seinem Herzen und hatte den Muth, trotz der Ver-
wünschungen der Priester und trotz des Entsetzens des abergläubischen
Volkes, die Axt an die heilige Eiche zu legen. Als sie endlich zu-
sammenstürzte, ohne daß ein Blitzstrahl den verwegenen Fremdling er-
schlug, erkannte das hessische Volk die Nichtigkeit seiner bisherigen Ab-
götterei, hörte der Predigt des christlichen Apostels zu und ließ sich
von ihm taufen. Bonifacius aber erbaute aus dem Holze der ge-
fällten Eiche ein Kirchlein. Dann durchzog er das Land, bekehrte
Tausende zum Christenthum und gründete eine Menge Klöster, von
welchen Fulda sein Lieblingsaufenthalt und eine berühmte Hochschule
wurde. Im Jahre 751 wurde er seiner vielen Verdienste wegen vom
Papste zum Erzbischof von Mainz ernannt. Aber auch in feinem
hohen Alter konnte Bonifacius nicht ruhen. Als Greis zog er noch-
mals aus, die Friesen an der Nordsee zu bekehren. Mit einer An-
zahl von Begleitern (man sagt 70) begab er sich zu ihnen. Die Be-
schwerden der Reise achtete er nicht; die Wildheit der Friesen fürchtete
er nicht. Er zog umher im Lande, predigte und taufte, und zerstörte
die Götzenbilder und gründete Kirchen. Als er nun einst mit seinen
Gefährten auf freiem Felde unter Zelten lagerte, überfiel ihn ein
Haufe heidnischer Friesen; diese erschlugen ihn sammt seinen Begleitern
am 5. Juni 755. Sein Leichnam wurde von den Christen gefunden,
mit hohen Ehren nach Mainz gebracht und später in der Kirche w
Fulda beigesetzt.
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch]]